Ich dachte, ich bin ein Tropenfan. Hitze, Bali, solche Sachen. Menschen, die im Hochsommer in Mänteln am Meer spazieren gehen, waren mir äußerst suspekt. Nun sind wir im August nach Irland zum Wandern gereist und sind in Oberbekleidung gewickelt durch den Nieselregen gestapft und etwas Besseres könnte ich mir gar nicht vorstellen.

Dublin, die Stadt der trinkenden Dichter und der dichtenden Trinker. Die unzähligen Pubs, wo übrigens nicht nur getrunken, sondern auch gegessen wird, sind Orte, wo man auch gut mit Kindern hingehen kann. Es gibt diverse Museen und das Trinity College in Dublin, wo The Book of Kells (Das Buch der Kelten) eines der bedeutendsten mittelalterlichen Bücher der Welt und das am besten erhaltene Zeugnis der irischen Buchmalerei ausgestellt wird.

Eine knappe Autostunde von Dublin entfernt, beginnt das Abenteuer in der Natur. Die Wicklow Mountains, eine Gebirgskette südlich der Stadt, bietet unzählige Wanderwege und atemberaubende Ausblicke. Wir reisen mit unserer fünfjährigen Tochter und uns ist klar, dass das Tempo ein anderes sein wird und aus Wanderrouten eher längere Spaziergänge werden. Ich verspreche nicht auszuflippen, weil ich FOMO verspüre, sondern mich auf das zu konzentrieren, was wir tatsächlich geschafft haben.
Wir beginnen unseren Spaziergang an der hübschen Promenade, vorbei an bunt gestreiften Pavillons, die wie winzige Zirkuszelte aussehen und Plasti-Strandzeug und Pommes anbieten, vorbei an Häusern mit düsteren, viktorianischen Fassaden und Lichtmästen, auf denen wie kleine Schmuckstücke Möwen sitzen. Bray ist keins dieser herausgeputzten Zuckerguss-Städtchen, sondern ehrlich und echt. Und wenn die Häuser sprechen könnten, würden sie viele spannende Geschichten erzählen.

Als wir die Promenade hinter uns lassen, beginnt das Abenteuer. Die steile Küste, der Dreiklang aus Sonne, Luft und der See, schroffe Felsen und wilde Farne – ein unendliches Meer davon. Je höher wir steigen, desto nebliger wird die Landschaft und umso atemberaubender das Panorama. Wie durchdacht hier alles ist. Ganz unauffällig sind da kleine Rotunde, wo man sich bei Unwetter unterstellen kann. Und Mülltonen, damit es den Menschen leichter fällt, die Natur sauber und ursprünglich zu halten. Der Bray-Greystones Head Walk ist in der Regel in 2 bis 3 Stunden zu schaffen. Doch wir haben unser eigenes Tempo und kommen am späten Nachmittag in Greystone an. Was sind wir stolz, zu dritt diese Strecke geschafft zu haben!

Der zweite Tag ist besonders aufregend. Wir fahren zum Powerscourt Waterfall. Mit seinen 121 Metern ist es der zweithöchste Wasserfall in Irland. Er liegt inmitten einer wunderschönen Parklandschaft, wo man auch viele wilde Tiere beobachten kann. Als wir dort ankommen, herrscht am Wasserfall ein reges Treiben. Das ganze Areal ist wie ein großer Spielplatz und die Felsen am Wasser laden zum Klettern ein. Am Abend sehen wir an einem Hang im goldenen Licht einen Hirschen. Diese Szene ist wie ein Gemälde der alten Meister. In der Nähe des Wasserfalls besuchen wir noch die Powerscourt Gardens – ein Landgut, das für sein Haus und die wunderschön angelegten Gärten bekannt ist.

Tag drei ist nicht nur ein Naturabenteuer, sondern auch kulturelles Highlight. Aber bevor ich darüber erzähle, muss erwähnt werden, was für eine Freude es ist, durch Irlands Landstraßen zu fahren. An smaragdgrünen Hängen grasen die Kühe. Schafherden überqueren den Weg. Und dann sind da die Farne, endlos weite Felder und saftig grün.
So kommen wir in Glendalough an. Auf Gälisch bedeutet Gleann Dá Locha „Tal der zwei Seen“ und liegt im Herzen der Wickow Mountains. Diverse Wanderwege führen dahin, man kann aber auch bequem mit dem Auto direkt vor dem Eingang parken. Wer an keltischer Kultur und Geschichte interessiert ist, darf Glendalough nicht verpassen.

Der Sage nach wurde die Klosterstadt im sechsten Jahrhundert von Saint Kevin, dem Patron von Dublin, gegründet und wuchs wegen großer Beliebtheit schnell. Der Heilige, der im Grunde Ruhe und Abgeschiedenheit suchte, verließ die Stadt und siedelte als Eremit auf die Anhöhe über dem Upper Lake um. Heute kann man sowohl die Klosterstadt als auch den Hügel besuchen. Beides ist magisch.
Ich habe so viel über die Wicklow Mountains erzählt. Wer hier wandern möchte, findet unterschiedlichste Routen, die längste beträgt 127 Kilometer. Wir suchen nach der kürzesten und beschließen, den Glenderlock Miners Road Walk anzuschlagen.

Der Trail geht durch einen märchenhaften Wald und später durch eine offene Landschaft, vorbei an Ruinen der alten Minenstadt. Leider ist der ganze Weg zum Upper Lake für kleine Kinderbeinchen doch viel zu weit. Also beschließen wir, nächstes Jahr wieder zu kommen.
Denn Irland hat so viel zu bieten. Spaziergänge am Meer, unzählige Klöster und Burgen, die wunderbare kleine Stadt Birr mit einem der ältesten Spiegelteleskope der Welt. Nebelschwaden, in denen smaragdgrüne Farne schaukeln. Wir haben nur einen winzigen Teil von Irland entdeckt und können es kaum abwarten, auf eine längere Reise zu gehen.
