The Plastic Hike Exhibition

Andreas Noe ist ein Aussteiger mit Mission. Seit ein paar Jahren lebt der deutsche Molekularbiologe in einem Van an der portugiesischen Küste und widmet sich dem Surfen – und dem angespülten Müll. „Es war eine logische Entwicklung. Wer ständig im Meer und von Abfall umgeben ist, kann nicht mehr wegsehen.“, erzählte er uns im Interview vergangenes Jahr. Und so fing Andreas an, Portugals Küsten aufzuräumen. Aus seinem Hobby wurde seine Mission. Heute ist Andreas als The Trash Traveler auf Social Media bekannt und sorgt mit groß angelegten Kunstaktionen und selbstgebauten Surfboards international für Aufsehen. Dabei konnte ihn Jack Wolfskin sogar unterstützen. 

Jack Wolfskin Trash Traveller Plastik Hike
Der brasilianische Künstler Wilson Alexandre mit seiner Skulptur aus Müll.

Bei unserem Gespräch ist Andreas aka The Trash Traveler mal wieder in Lissabon, wie so oft in letzter Zeit, um die anstehende Ausstellung vorzubereiten. Wenn man das jetzt gut organisiert, wird es beim nächsten Anlauf leichter. Und den wird es geben. Im kommenden Jahr tourt The Plastic Hike Exhibition nach Porto, Portugals zweitgrößte Stadt, und soll noch viel umfangreicher werden. Denn, wie alles was Andreas in Angriff nimmt, wird auch das hier sicher ein Erfolg. Mit seiner Idee, den gefundenen Müll in Kunst zu verwandeln, stieß er überall auf offene Ohren. „Wir sind bei Null gestartet und haben einfach ein paar Künstler kontaktiert und von unserer Idee erzählt. Es war wie ein Stein, den man ins Rollen bringt, schnell hatten wir ein Kollektiv zusammen und so wurde es immer einfacher, Menschen von unserer Idee zu überzeugen. Inzwischen kommen sogar Künstler von sich aus auf uns zu und fragten, ob sie mitmachen können.“ 

Jack Wolfskin Trash Traveller Plastik Hike
Die Skulptur Robot stammt vom portugiesischen Künstler Henrique Keys.

Einige von ihnen bedienten sich an dem Material, das Andreas bereits an den Stränden Portugals gesammelt hatte. Andere waren motiviert selbst loszugehen, mit dem Augenmerk auf speziellen Abfall, wie zum Beispiel Fischernetze, leere Flaschen oder Mikroplastik. Mehr als 50 Prozent des angespülten Mülls entstammt der Fischerei, außerdem sind viele Plastikflaschen dabei. Aber auch skurrile und sogar niedliche Dinge findet Andreas am Strand. Nicht selten kategorisiert er seine Funde, macht eine kleine Geschichte mit Pointe daraus oder komponiert ein Lied mit seiner Ukulele dazu und postet seine Clips auf Instagram. Ohne Zeigefinger und Moralpredigt, dafür kreativ, clever und oft sogar witzig. Doch wie viele Menschen erreicht man so und wie nachhaltig sind diese Botschaften? 

Jack Wolfskin Trash Traveller Plastik Hike
Henrique Keys Predator war ein großer Erfolg auf der Comic Con Portugal in 2017.

Müllsammeln alleine verändert nichts, das wurde Andreas bewusst. Der leergefegte Strand verwandelt sich über Nacht wieder in eine Halde und alle machen einfach immer so weiter. „Ein Bewusstsein für ein nachhaltigeres Leben und gegen Einwegplastik schaffen, das ist mein Ziel. Dafür muss aber jede einzelne Zigarette und jedes einzelne Plastikteil, das ich aufsammle, von den Leuten gesehen werden.“, erklärt er. Er überlegte also, wie seine Arbeit noch sichtbarer werden konnte und so entstand die Idee mit der Kunstausstellung. Als Gruppe, mit einer gemeinsamen Botschaft und einer visuellen Aktion ist es natürlich viel einfacher, Aufmerksamkeit zu bekommen.

Jack Wolfskin Trash Traveller Plastik Hike
Andreas und Steve bauen zusammen Surfboards aus Müll.

Inzwischen wird Andreas bei seinen sogenannten Plastic Hikes entlang Portugals kompletter Küste nicht nur von spontanen Helfern, sondern von einem festen Team dokumentarisch begleitet. Der Film, der hier entsteht, wird ebenfalls zur Ausstellungseröffnung am 19. Juni in Lissabon Premiere feiern und hoffentlich auch in diesen Pandemiezeiten auf ein breites Publikum treffen können. Ebenso wie die zahlreichen Kunstwerke, die nun aus ganz Portugal in Lissabon zusammengetragen werden. Zu den Exponaten der 26 Künstlern zählen großformatige Skulpturen, figürliche und abstrakte Arbeiten, Illustrationen und auch das erste Surfboard, das Andreas zusammen mit seinem Kumpel Steve aus Abfall baute. Neben dem Holz, aus dem Steves Bretter normalerweise bestehen, verwendeten sie gefundenen Karton für das Skelett, eine Kühlschranktür, Zigarettenfilter und Plastikteile für das Äußere, das sich zu einem bildhaften Mosaik fügt. 

Jack Wolfskin Trash Traveller Plastik Hike

So entstand auch die Zusammenarbeit mit Jack Wolfskin. Das Unternehmen fand die Idee so gut und passend zur eigenen Unternehmensphilosophie, dass es Andreas’ Arbeit unterstützten wollte, unter anderem mit Bekleidung aus der Texapore Ecosphere Kollektion. Mit dieser Outdoor-Kleidung setzt Jack Wolfskin auf Wiederverwertbarkeit: Texapore Ecosphere ist das erste wetterfeste Material, welches zu 100 Prozent recycelt ist – ein echter Durchbruch in der nachhaltigen Textilbranche. Die Membran des Materials besteht aus Produktionsresten, die aufgearbeitet und wiederverwendet werden. So gelangen sie zurück in den Produktionskreislauf. Der Oberstoff und das Futter hingegen bestehen aus recycelten PET-Flaschen. Ein Zero-Waste-Konzept also. 

Um zum einen auf die nachhaltigen Prozesse und Produkte von Jack Wolfskin aufmerksam zu machen, zum andern aber auch um Textilreste sinnvoll wiederzuverwerten, laminieren Andreas und Steve Surfboards mit überschüssigem Stoff. „So bekommt das Brett mehr Stärke und das Fiberglas für die Oberfläche, das ebenfalls aus Resten der Surfboardproduktion besteht, wird eingespart.“, erklärt Andreas. Eine sinnvolle Ergänzung also zum handgemachten Board. 

Jack Wolfskin Trash Traveller Plastik Hike

Die Message ist klar: Nichts verschwenden, wieder verwenden. Abfälle werden als sinnvolle Ergänzung in den Produktionsprozess eingeschleust um eine Müllbelastung zu vermeiden. Denn, wie uns Andreas in unserem ersten Gespräch bereits erklärte, ist Recycling nicht die effizienteste Option, die wir haben: „Das Wort Recycling nenne ich eigentlich nicht so gerne im Nachhaltigkeitskontext, wie die anderen „Rs“: Refuse, Reduce, Reuse, also auf Konsum zu verzichten beziehungsweise ihn zu reduzieren und Dinge wiederzuverwenden. Bei jedem Teil also wirklich zu überlegen, kann man es noch gebrauchen oder ist die Lebensdauer dieses Produkts erreicht? Erst dann haben wir immer noch die Möglichkeit es zu recyceln.“ 

Leider lässt sich auch nicht alles einfach recyceln, da wir unendlich viele verschiedene Arten von Plastik verwenden, die man kaum separieren kann. „Die Komplexität unserer Produkte macht es den Recyclingunternehmen sehr schwer, damit zu arbeiten.“, fasst Andreas zusammen. Tatsächlich wird auch aus unserer gelben Tonne nur ein minimaler Prozentsatz recycelt. „Weltweit liegt der Recyclingprozentsatz bei nur 13 Prozent, in Deutschland bei 17, in Portugal bei nur 11 Prozent.“ Und der Mensch ist ja bereits mit drei Mülltonnen überfordert. „Deshalb können wir nicht einfach weiter konsumieren und aufs Recycling hoffen. Stattdessen sollte der Müll, den wir fabrizieren oder übrig lassen, wieder eingeschleust werden. Dafür müssten wir in erster Linie unseren Konsum reduzieren. Und das, was wir noch konsumieren, sollte qualitativ hochwertig sein und im Idealfall auch wieder eingeschleust werden, in eine Kreislaufwirtschaft. Das ist es, wo wir hin müssen!“ 

Jack Wolfskin Trash Traveller Plastik Hike
Um Textilreste sinnvoll wiederzuverwerten, laminieren Andreas und Steve Surfboards mit überschüssigem Stoff.

Die Macht des Konsumenten liegt im Feedback an die Industrie, also in der simplen Entscheidung, ob und wofür wir unser Geld ausgeben. „Das Ziel muss sein, irgendwann kein neues Plastik mehr herzustellen, für das man wiederum Erdöl braucht. Man sollte stattdessen schauen, dass man auf alternative Materialien zurückgreift und diese auch simpler gestaltet, damit sie sich besser trennen und wiederverwenden lassen.“ 

Oft ist in diesem Zusammenhang von einem weiteren „R“ für Repair die Rede: Sollte man bei kaputten Produkten nicht auch erst einmal schauen, ob man sie reparieren kann, bevor man sie durch neue ersetzt? „Absolut.“, stimmt Andreas zu, „Jack Wolfskin hat sogar einen eigenen Reparaturservice, der anbietet, Produkte zur Reparatur einzusenden. Das finde ich sehr gut.“ Ein leider eher seltener Service im Branchenvergleich, da Reparieren immer noch kostenintensiver ist, als Wegwerfen. Tatsächlich fällt aber nicht nur großen Unternehmen diese Möglichkeit kaum noch ein, auch Menschen denken selten ans Reparieren und so wachsen Kinder ohne die Idee der Werterhaltung auf. Früher lernte man noch Fahrradschläuche zu flicken und Sockenlöcher zu stopfen. Hier lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit, sagt Andreas:

Jack Wolfskin Trash Traveller Plastik Hike

„Über zwei Generationen haben wir verlernt zu reparieren und wiederzuverwenden. Alles muss immer sehr, sehr schnell gehen und wird dann lieber neu gekauft. Deshalb appelliere ich an etwas mehr Geduld. Daran, erst einmal nach Alternativen zum Neukauf Ausschau zu halten. Und mit etwas mehr Zeit vielleicht auch auf weniger Verpackung zu achten.“

Abfall wiederzuverwenden hat übrigens den Vorteil, dass es nichts kostet, außer Zeit vielleicht. „Die zwei Surfbretter, die wir hauptsächlich aus Müll hergestellt haben, haben einen sehr guten Wert. Wir sollten eine gewisse Wertschätzung für vorhandene Dinge wieder mehr in unserem Mindset verankern – das wäre meine Vision.“ Die teilt Andreas gerne mit Schülern, Studenten, Unternehmen und eigentlich jedem, der Interesse an seiner Aufklärung hat. In Vorträgen leistet er Präventionsarbeit, wenn man so will, und zeigt Alternativen im Kampf gegen die voranschreitende Umweltverschmutzung auf. Längst kommen Firmen, Künstler und NGOs von selbst auf ihn zu. „Die Kunstaktion, die Ausstellung und auch die Surfbretter sind gute Gelegenheiten um zu zeigen, dass Müll einen Wert hat, beziehungsweise dass man Müll wieder einen Wert geben kann, wenn man ihn verwendet und ein bisschen kreativ dabei ist. Ich finde das extrem spannend und mir macht es sogar viel Spaß, Dinge wiederzuverwenden.“ 

Jack Wolfskin Trash Traveller Plastik Hike

Konzentriert sich Andreas’ Arbeit im Moment noch auf Portugal, ist seine Vision doch längst eine internationale und die Kunstausstellung zu einem Pilotprojekt für weltweite Aktionen geworden. Denn das Interesse ist groß und das Problem ein globales. „Zum Glück gibt es auf der ganzen Welt Leute, die am Strand oder überall dort wo Müll anfällt aufräumen. Und Künstler, die damit arbeiten. Wir sind jetzt eine Community, die gemeinsam ein Bewusstsein schaffen möchte.“

Wenn die Pandemie abgeflaut ist, will Andreas wieder mehr mit Schülern machen, mit ihnen zum Strand gehen, Müll sammeln und in kleinen Workshops Dinge daraus herstellen, wie im vergangenen Jahr die hübschen kleinen Sardinen aus eingeschmolzenem Microplastik. So begreifen bereits Kinder, dass man verantwortlicher mit Konsum und Abfall umgehen muss. Welche neuen Projekte Andreas außerdem gerade ansteuert, verrät er noch nicht, wir müssen uns überraschen lassen und bleiben gespannt. Wer ihm auf Instagram folgt, wird sicher nichts verpassen. 

Jack Wolfskin Trash Traveller Plastik Hike
Bruno Costas Hommage an Jacques Cousteau

Mit ihren Plastic Hikes und Kunstaktionen haben sich Andreas und sein Team inzwischen einer NGO angeschlossen, die alle Einnahmen, auch aus der Ausstellung, in den guten Zweck und die Weiterführung der Projekte investiert. Wer Andreas und seine Arbeit unterstützen möchte, unsere Umwelt sauberer zu machen und für mehr Konsumbewusstsein zu werben, kann hier spenden:

Associacao Novo Mundo Azul
PT50 0007 0000 0048 4569 0302 3
Referenz: The Plastic Hike


Die Kunstausstellung „The Plastic Hike Exhibition“ ist vom 28. Juni bis zum 30. September 2021 in Lissabon zu sehen und tourt dann Portugals Küste entlang bis nach Porto. Die Kunstwerke werden im Anschluss an die Ausstellung versteigert oder gespendet.