Ich kann mich nicht daran erinnern, in den letzten Jahren einmal mitten in der Nacht aufgestanden zu sein, um einem Sonnenaufgang hinterherzujagen. Vielleicht ein gutes Vorhaben für die Zeit nach dem Lockdown. Einfach los, die Freiheit genießen und tief Atmen.
Während meiner einmonatigen Rucksackreise durch Indonesien ist mir das nachts Aufstehen innerhalb einer Woche gleich zwei Mal passiert und es war überwältigend. Einmal war das Ziel der größte buddhistische Tempel der Welt “Borobudur”, in der Nähe von Yogyakarta, und nun der beeindruckende Stratovulkan Mount Bromo mit einer Höhe von 2.329 Metern.
Vom farbenfrohen Yogya – meinem vorherigen Aufenthaltsort – nach Cemoro Lawang, dem Dorf am Fuße des Mount Bromo, zu gelangen, war gar nicht so einfach. Mit dem Zug durch die Nacht fuhr ich um 1:38 Uhr Richtung Malang. Dankbarerweise hatte ich eine ganze Bank für mich allein konnte die achtstündige Fahrt fast durchschlafen.
Erst in Malang realisierte ich, dass ich noch lange nicht am Ziel war und weiter nach Probolinggo musste. Nach langem Hin- und Her und weiteren nervenaufreibenden Verzögerungen brachte mich letztendlich ein wackliger Kleinbus zum ersehnten Ziel – Cemoro Lawang…
Nach meiner zwölfstündigen Reise lieferte mich der Fahrer in Cemoro Lawang ab. Nun gab es eine neue Herausforderung, es galt ein möglichst günstiges Homestay zu finden, denn sich vorher zu informieren und eine Übernachtung zu buchen, ist für Anfänger. Ich lief mit meinem 15 kg schweren Rucksack auf dem Rücken und meinem 7 kg leichteren Rucksack am Bauch durch ein Bergdörfchen, um eine Bleibe für die nächsten Stunden zu finden. Lange Schlafen war nicht drin, um 2:30 Uhr musste das Team Bromo aufbrechen zur Wanderung ihres Lebens, oder zumindest dieser Reise.
Nach circa fünf Anläufen überzeugte mich ein älterer Einheimischer in zerrissener Jeansjacke davon, in einem kleinen Homestay zu schlafen. Es roch modrig aber ich konnte ich mich nicht beschweren, denn die Nacht kostete gerade mal 4 Euro und bot genug Platz für mich und meine Begleiter*innen, die ein paar Stunden nach meiner Ankunft ebenfalls die Unterkunft erreichten. Wir erkundeten gemeinsam noch kurz die Nachbarschaft.
Ein Nasi Goreng später lagen wir alle gegen 21:00 Uhr im Bett, um wenigstens ein paar Stunden schlafen zu können. Ich kaufte mir für einen Euro eine Mount Bromo Mütze, sah damit auch aus wie eine echte Touristin, bereit für das Abenteuer. Kurze Reue trat ein, als der durchdringende Wecker um 2:00 Uhr schrillte und ich realisierte, dass ich das warme Bett nun schnell verlassen musste.

Alle waren bereit und wir konnten unsere Wanderung starten, die uns durch die dunkelsten Ecken, über steile Hügel und ein Meer aus Sand führen sollte. Das erste Ziel war ein Aussichtspunkt möglichst abseits der Touristen, die üblicherweise mit Jeeps auf den Berg gekarrt werden. Um dorthin zu gelangen, mussten wir circa 10 km hinter uns bringen. Der Spaß mischte sich langsam mit Anstrengung, denn ohne es zu wissen, hatten wir eine Marathonläuferin als Gruppenführerin des Team Bromo auserkoren. Ich gab wirklich alles, um mitzuhalten, doch als ich irgendwann anfing doppelt zu sehen, musste ich die Gruppe um eine kurze Pause bitten. Damit ergab sich zumindest einmal die Gelegenheit, einen Blick zum atemberaubenden Himmel zu werfen. Jetzt war mir klar, dass unser Ausflug jede Mühe wert sein wird.
Nach circa 2,5 Stunden Wandermarsch kamen wir beim Aussichtspunkt an und machten es uns mit circa fünfzig weiteren Reisenden gemütlich. Da saßen wir nun und hatten freie Sicht auf einen der aktivsten Vulkane Javas. Ein kühler Wind fegte uns um die Ohren und die Sonne kroch langsam über den Kraterrand. Dieser malerische Anblick wirkte surreal. Es dauerte nicht lange, bis sich die Sonne auch den Rest des Weges bahnte und ein traumhaftes Licht über die Landschaft legte. Dies war einer dieser Reise Momente, die das “normale” Leben in Frage stellen lassen. Denn wie konnte man tagtäglich zur Arbeit gehen und im Großstadt Dunst leben, wenn da draußen so viele unentdeckte Abenteuer auf uns warteten.
Natürlich war es nicht ganz so romantisch, wie man es sich jetzt vorstellt. Kein klassischer Hollywood-Moment mit Hintergrundmusik und Zeitlupe, die genug Raum zum Erfassen jedes einzelnen Details lässt. Inmitten der anderen Touristen suchte man lange nach einem wirklich stillen Augenblick und war dauerhaft umzingelt von Kameras. Nichtsdestotrotz genossen wir den Sonnenaufgang in vollen Zügen und ich versuchte achtsam so viele Details wie möglich in meinem inneren Bilderbuch abzuspeichern, um sie später wieder aufleben zu lassen.
Voller Euphorie und entgegen aller Anstrengung beschlossen wir spontan, auch den Krater des Mount Bromo zu besichtigen. Unser Team Bromo ließ sich von nichts abschrecken und machte sich auf den Weg.

Vor uns lagen acht weitere anstrengende Kilometer, doch wir waren voller Tatendrang und positiver Emotionen. So ein gemeinsames Abenteuer ist wie eine Teambuilding-Maßnahme. Nur besser. Wir tauschten jede Minute intimere Details über unser Leben zuhause aus, teilten Sorgen und schmiedeten Pläne für unsere Rückkehr nach Europa. Währenddessen mussten wir den mühevoll bestiegenen Berg wieder herunter krakseln, um dann in der prallen Sonne über das Meer aus Sand hin zum Mount Bromo zu wandern. Der Schweiß lief und die Müdigkeit setzte langsam ein. Auf meine Mount Bromo Mütze hätte ich jetzt gut verzichten können, aber immerhin schützte sie meine Kopfhaut vor Sonnenbrand. Man soll ja immer das Positive sehen.
Als wir den Vulkan erreichten, warteten weitere 241 Treppenstufen – die sich anfühlten wie tausende – darauf, von uns erklommen zu werden. Am Krater angekommen, war wieder einmal jegliche Anstrengung vergessen. Es war der erste Vulkan, den ich in meinem Leben sehen durfte und ich war überwältigt. Es brodelte heißer Dampf, der eine meditative Wirkung hatte. Aus dieser entspannten Stimmung rissen mich eigentlich nur die anderen Besucher, die unzählige Fotos mit uns machen wollten und sich für unsere Bereitschaft, mit ihnen zu posieren, bedankten. Nachdem wir auch hier, alle Eindrücke aufgesogen haben, marschierten wir glücklich und vollends erschöpft zurück zu unserer Unterkunft. Ich werde dieses Erlebnis niemals vergessen.