Wie ich von einer Industriekauffrau zur Fotografin wurde

Ich kann mich noch gut an das Gesicht meiner Eltern erinnern, als ich nach einem holprigen Start ins Berufsleben mit der Idee, mich selbstständig zu machen, um die Ecke kam. „Fotografin? Du hast doch gerade erst angefangen zu arbeiten. Wieso bleibst du nicht im Büro?“ Weil ich es hasste. Ich glaube, dass alle Menschen aus meinem Bekanntenkreis mich für naiv und dumm hielten, als ich mit 23 Jahren von meinem Vorhaben erzählte. Das Ganze wurde als große Spinnerei abgestempelt. Aber so war das nicht. Dieses Mal nicht.

Schon als Kind zog ich mit Papas analoger Kamera durch die bunte Natur meiner Heimat. Geboren und aufgewachsen in einem kleinen Dorf im Siegerland, waren Felder, Wiesen und Wälder meiner größte Spielfläche und Inspiration. Barfuß durch Wildblumenwiesen zu streifen und zu versuchen, die tief stehende, goldene Sonne, die eine ganz besondere Atmosphäre erzeugte, einzufangen, war das Größte für mich. Das Licht dieser ganz besondere Stimmung, wenn ein schöner Tag zu Ende geht und alles in goldenem Licht strahlt, hat mich schon immer sehr fasziniert. Licht ist wie Magie und diese Magie schafft es, Situationen, Momente – nein, alles auf der Welt, immer wieder neu erscheinen und wirken zu lassen.

Nachdem ich also erste Erfahrungen in der analogen Fotografie gesammelt habe, begann ich mich mehr und mehr mit der digitalen Fotografie zu beschäftigen. Die Digi-Cams kamen auf den Markt. Plötzlich konnte man das fertige Foto sofort auf einem verpixelten Display sehen! Es gab keine Grenzen mehr, vor allem nicht, nachdem ich mir meine erste digitale Spiegelreflex, eine Nikon D 60, kaufen konnte. Dafür musste ich ganz schön lange sparen, aber es hat sich gelohnt. Motive von Sonnenuntergängen, Wolken und Gräsern, wurden langsam von Portraits meiner besten Freundin Lisa abgelöst, die bei neuen Fotografie-Experimenten immer gern Model gestanden hat.

So tastete ich mich an People Fotografie heran, beschäftigte mich intensiv mit Bildgestaltung, Kameras und Bearbeitung, trat einer Studiogemeinschaft bei, lernte das Blitzen und Beauty-Fotografie. Nebenbei stand ich allerdings nach dem Realschulabschluss vor einer großen Entscheidung: Was mache ich jetzt? Fotografin zu sein, war immer mein Traum. Das wollte ich gern lernen. Allerdings wusste ich, nach einem Bewerbungsgespräch in dem einzigen und ziemlich altmodischen Fotostudios Siegens, das ich hier keine Chance habe eine Ausbildung zur Fotografin zu machen. So entschied ich mich aus Vernunft für eine kaufmännische Ausbildung. Industriekauffrau. 

Ich habe wirklich versucht mir einzureden, dass der Job toll ist. Tolle Perspektiven, gute Bezahlung. Sicherheit. Rente. Die Kollegen waren ja auch ganz nett. Ihr kennt das. Ich versuchte mich anzupassen, gesellschaftliches Ansehen zu finden – war aber innerlich komplett verwirrt, planlos und unglücklich. Ich zog die Ausbildung durch, rutschte mit Ach und Krach durch die Prüfung und arbeitet anschließend in diversen Jobs und einem Büro weiter. Ich war im Alltag angekommen, machte Überstunden und rauchte zu viel. Ich bekam zwar mein Geld – aber die Zeit für Fotografie fehlte. 

Irgendwann schaffte ich wieder mehr Raum für Fotografie in meinem Leben. Ich investierte jeder freie Minute neben der Arbeit in mein Hobby und entschied mich kurzerhand nach 1,5 Jahren erfolgreicher Nebenselbstständigkeit, als Vollzeit-Fotografin zu arbeiten und meinen Bürojob zu schmeißen. Vor allem wenn man in einem Dorf lebt, gehört echt viel Mut dazu, so einen Schritt zu gehen, seinen ‚sicheren‘ Job einfach hinzuschmeißen und gegen Fotografie zu tauschen. Verdient man da überhaupt was? Um ehrlich zu sein, war mir das Geld egal. Ich wollte einfach nur endlich wieder mehr Zeit für diese Leidenschaft haben, die dadurch immer mehr Früchte trug. 

Kann es so schlimm sein, auf sein Herz zu hören?

Nein. Auch, wenn mich anfangs Ängste und Zweifel schlaflose Nächte gekostet haben, so konnte ich doch immer mehr fotografieren und lernte immer wieder dazu. Ich lernte vor allem mir selbst zu vertrauen. Es fühlte sich fast so an, als käme all die Energie, die ich in die Fotografie gesteckt hatte und der Mut, den ich aufbringen musste, doppelt und dreifach zurück. Alles fügte sich. Models aus ganz Deutschland kamen für Fotoshootings, ich fotografierte erste Produkt-Kampagnen, reiste durch Europa und immer mehr Fotostrecken von mir wurden in Magazinen veröffentlicht. Essen. Schlafen. Knipsen. So sah jetzt mein Alltag aus. Und ich war glücklicher denn je. 

Das Ganze ist jetzt 8 Jahre her und während ich hier sitze und mich an alles erinnere, könnte ich nicht glücklicher sein: Ich lebe seit 8 Jahren meinen Traum, bin Fotografin – ein Titel, den ich früher in Freundebücher geschrieben habe. Ein Titel, den ich mich lange nicht getraut habe auszusprechen, weil ich mich für nicht gut genug dafür hielt. Die Entdeckungstouren gehen mittlerweile weit über Siegen hinaus, so durfte ich die Reisefotografie, viele neue Länder und Menschen für mich entdecken. Das tollste ist jedoch die Akzeptanz, die ich über die Jahre erfahren habe. Die Fotografie hat mir beigebracht, dass es ok ist, seinem Herzen zu folgen. Das es ok ist, Fehler zu machen. Das es ok ist, man selbst zu sein. Die Fotografie ist immer da, ich kann jederzeit raus gehen und kreativ werden. Umso schöner ist es genau deshalb für mich, mit Partnern wie Jack Wolfskin arbeiten zu dürfen, die mir mit einem unglaublichen Vertrauen entgegenkommen und mich in meiner Arbeit unterstützen. Seit kurzem bin ich offizielle Markenbotschafterin, ein Traum, der neben der Nikon Partnerschaft in Erfüllung gegangen ist. Und das alles nur, weil ich einen kurzen Moment lang Mut hatte. Weil ich einmal nicht auf die anderen, sondern nur auf mein Gefühl gehört habe. Alles fügt sich, man muss nur den ersten Schritt gehen. 

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